Ich wurde durch Bekannte auf „Die See“ aufmerksam gemacht, welche die Premiere gesehen hatten und mir den Besuch einer Vorstellung mit Nachdruck ans Herz gelegt hatten. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich war sehr angetan!
In der Pause hörte ich ein Gespräch mit, bei dem ich erfuhr, dass hier eine Amateur-Theatergruppe am Werk ist – ich konnte es kaum glauben. Hut ab, da könnten sich manche Profis ein Beispiel daran nehmen! Die mitreißende Spielfreude dieser Schauspieler ist an kommerziellen Bühnen samt ihrer darstellerischen Routine nur noch selten zu finden.
Dem geknechteten Tuchhändler Hatch (großartig dargestellt von Stefan Rapp) dabei zuzusehen, wie er langsam dem Wahnsinn verfällt und er mit seiner Schere den kostbaren Stoff zerfetzt, war total unheimlich anzusehen und ließ einem das Blut in den Adern gefrieren! Die smarte, harmlos aussehende Jessica Tilehouse (perfekt gespielt von Ingrid Lassnig), war an hinterhältiger Bösartigkeit kaum zu überbieten und fiel mir durch ihre darstellerische Glaubwürdigkeit und gut verständliche Aussprache auf (was man leider nicht von allen Darstellern behaupten konnte).
Mein persönlicher Favorit des Abends war aber der schräge Pfarrer (sehr glaubhaft dargestellt von Roman Gausterer). Er brachte immer dann Schwung in das Stück, wenn es in Tragik zu versumpfen drohte. Sein unglaublicher Eifer und seine – nicht angebrachte – Begeisterung (Begräbnisszene), lösten derart zwiespältige Gefühle bei mir (und bei einigen Zuschauern rund um mich) aus, dass ich mich wohl jedes Mal an ihn erinnern werde, wenn ich an einer Kirche vorbei gehe! Diese drei erwähnten Schauspieler wären aufgrund ihrer perfekt dargestellten Doppelbödigkeit meine Idealbesetzung in einem spannenden Kriminalstück.
„Die See“ hat ihre Längen und Schwächen, gehört nicht zu Edward Bonds Glanzlichtern und hätte mich nicht ins Theater gelockt, wenn es mir nicht empfohlen worden wäre. Dass es trotzdem eine packende Inszenierung wurde, ist nicht zuletzt dem Regisseur Thomas Declaude zu verdanken. Ihm und dem gesamten Ensemble einen kräftigen Applaus und weiterhin viel Erfolg!